„Freyheit – ist das Einzige, was zählt“
lautete das Motto eines eindrucksvollen Chor-Workshops mit anschließendem Konzert, das der Chorverband Lahn-Dill – ehemals Solmser Sängerbund – gemeinsam mit Thuringia Cantat, einem Chorprojekt des Chorverbands Thüringen, veranstaltete. Austragungsorte waren das Haus der Hessischen Sportjugend in Wetzlar für die Probenphase und die Pfarrkirche St. Walburgis in Wetzlar-Niedergirmes für das abschließende Konzert.
Intensive Vorbereitung und logistische Meisterleistung
Die Durchführung eines Projekts dieser Größenordnung erforderte monatelange, sorgfältige Planung und ein eng abgestimmtes Teamwork zwischen beiden Verbänden. Zu bewältigen waren sowohl die Unterbringung der 45 Teilnehmenden aus Thüringen als auch die musikalische Vorbereitung der rund 70 Sängerinnen und Sänger aus Hessen, die überwiegend Mitgliedschöre des Chorverbands Lahn-Dill repräsentierten.
Das Leitungsteam des Verbands sorgte in enger Abstimmung mit den Partnern aus Thüringen für einen reibungslosen Ablauf – von der Anreise, Unterkunft und Verpflegung bis hin zur Konzertorganisation und Öffentlichkeitsarbeit. Bereits im Vorfeld wurde der Probenstoff sorgfältig vorbereitet: Für jedes Stück und jede Stimme standen Audio-Clips und Hörhilfen online zur Verfügung, sodass die Sängerinnen und Sänger individuell üben konnten. So entstand ein Wochenende intensiver musikalischer Arbeit, gelebter Gemeinschaft und einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit dem Begriff „Freiheit“.
Eine langjährige musikalische Freundschaft
Die Kooperation zwischen dem Chorverband Lahn-Dill und Thuringia Cantat hat eine lange Tradition. Beide Verbände haben sich in den vergangenen Jahren mehrfach gegenseitig besucht und bei Konzerten unterstützt. Ein früheres gemeinsames Projekt war das Konzert zum Thema „30 Jahre Mauerfall“ in der Martinskirche Heuchelheim. Weitere Treffen fanden in Sondershausen (Thüringen) statt, wo die Sängerinnen und Sänger aus Hessen an der dortigen Musikakademie zu Gast waren.
Diese Zusammenarbeit basiert auf einer gemeinsamen künstlerischen Vision: Chormusik gesellschaftlich relevanter Themen erfahrbar zu machen und Menschen über Landesgrenzen hinweg miteinander zu verbinden.
Künstlerische Leitung und musikalisches Konzept
Die musikalische Leitung lag in den bewährten Händen von Prof. André Schmidt von der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar. Er stellte das Programm zusammen und schrieb – bis auf wenige Ausnahmen – die meisten Arrangements für Chor und Instrumentalbegleitung selbst. Unter seiner Leitung entstand ein abwechslungsreiches Programm mit 19 Chorwerken, das eine beeindruckende historische und emotionale Spannweite bot.
Zum Team von Thuringia Cantat gehörten zudem Studierende und Absolventen der Musikhochschule Franz Liszt Weimar, die als Gesangssolisten, Instrumentalbegleiter und Registerdozenten das Projekt auf allen Ebenen unterstützten.
Der thematische Bogen reichte von der Zeit der Kreuzzüge und der Ära Friedrich Barbarossas über die Bauernkriege und die Französische Revolution bis in die heutige Zeit – stets mit dem zentralen Gedanken der Freiheit als verbindendem Leitmotiv.
Freiheit durch die Jahrhunderte – musikalisch erzählt
Musikalisch spiegelte das Programm die Entwicklung des Freiheitsbegriffs in unterschiedlichsten Stilrichtungen wider: von mittelalterlich anmutenden Chorpassagen über kraftvolle romantische Werke bis hin zu Liedern der jüngeren europäischen Geschichte.
Zwei eindrucksvolle Werke widmeten sich der Zeit der Bauernkriege, in denen die existenzielle Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Freiheit musikalisch greifbar wurde. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf Chorwerken von Ludwig van Beethoven und Robert Schumann, in denen die Idee der Selbstbestimmung und Würde des Menschen künstlerisch verdichtet wird.
Auch die dunklen Kapitel deutscher Geschichte fanden ihren Widerhall: In einer bewegenden Collage verband Prof. Schmidt das bekannte Lied der Comedian Harmonists „Irgendwo auf der Welt“ – einem deutsch-jüdischen Ensemble der 1920er Jahre, das später in die USA emigrieren musste – mit Melodien aus dem Film „Schindlers Liste“, wodurch das Schicksal der jüdischen Musiker und vieler weiterer Verfolgter erfahrbar wurde.
Besonders hervorzuheben ist Ariane Köster, Konzertmeisterin des Jugendsinfonieorchesters Wetzlar, die als Gastsolistin die Geigenstimme zu „Schindlers Liste“ meisterhaft interpretierte.
Musik als Spiegel der jüngeren europäischen Geschichte
Ein weiteres zentrales Werk war „Wie liegt die Stadt so wüst“ von Rudolf Mauersberger, unmittelbar nach der Zerstörung Dresdens geschaffen. Auch die Nachkriegszeit und jüngste europäische Geschichte wurden musikalisch reflektiert: Lieder mit Einflüssen osteuropäischer Volksmusik sowie Popmusik aus der ehemaligen DDR und amerikanische Spirituals zeigten, wie Musik gesellschaftliche Entwicklungen begleitet.
Darüber hinaus nahmen Liedermacher und kritische Stimmen der jüngeren deutschen Musikgeschichte ihren Platz im Programm ein, etwa Reinhard Mey, dessen poetische und oft politische Texte die individuelle Freiheit ins Zentrum stellen.
Eine weitere Collage verband das Lied „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen mit den beiden deutschen Hymnen und vertauschtem Text, wodurch der Satz „Freyheit ist das Einzige, was zählt“ eine besondere historische Bedeutung gewann.
Besonders hervorzuheben ist der enorme Probenaufwand: Vier Samstagsproben und ergänzende Audio-Hilfen bereiteten jede Stimme optimal vor. Der Freiheitsgedanke lebt so nicht nur in historischen Dokumenten, sondern auch in der zeitgenössischen Musik – leise, persönlich oder kraftvoll im Chor.
Der zentrale Proben-Event
Die Proben im Haus der Sportjugend in Wetzlar umfassten am Samstag mindestens neun Stunden Chorarbeit pro Stimme, am Sonntag weitere fünf Stunden, abwechselnd Tutti- und Registerproben. Anschließend folgte eine Stellprobe in der Walburgis-Kirche und ein fast zweistündiger Auftritt, sodass insgesamt auch am Sonntag sieben bis acht Stunden Chorarbeit absolviert wurden.
Beeindruckendes Abschlusskonzert
Das Konzert in St. Walburgis-Niedergirmes verband alle Werke zu einem musikalisch und emotional geschlossenen Ganzen. Die Sängerinnen und Sänger überzeugten mit klarer Artikulation, hoher Textverständlichkeit und spürbarer innerer Beteiligung, und der Funke sprang auf das Publikum über, das die Darbietungen mit lang anhaltendem Applaus honorierte.
Die Vielfalt der Themen, Stile und Epochen machte den besonderen Reiz des Abends aus. Jedes Werk eröffnete eine neue Perspektive auf das zentrale Motto: „Freyheit ist das Einzige, was zählt“.
Fazit: Ein musikalisches Plädoyer für Freiheit und Gemeinschaft
Der Workshop und das Konzert des Chorverbands Lahn-Dill und Thuringia Cantat setzten ein starkes Zeichen für musikalische Qualität, überregionale Zusammenarbeit und gesellschaftliche Verantwortung. Das Projekt machte deutlich, dass Freiheit nicht nur ein historischer Begriff, sondern eine Haltung ist – in Musik und Leben gleichermaßen.
Ein Wochenende voller intensiver Proben, inspirierender Begegnungen und mitreißender Musik fand so seinen Abschluss – mit einem klaren Bekenntnis: Freyheit ist das Einzige, was zählt.






